Nachdenkliches

Alkohol als Thema für Jugendliche

Trockener Alkoholiker erzählt Schülern im Marcel-Callo-Haus in Heiligenstadt von seinen Erfahrungen

Frank Eckardt (links) war als Gesprächspartner zu den Jugendlichen des Johann-Gottfried-Seume-Gymnasiums Vacha gekommen. Keine Frage blieb unbeantwortet. „Achtet auf euch, lasst euch nicht verleiten, lasst die Finger von dem Zeug, von Alkohol und Drogen, lernt ‚Nein‘ zu sagen. Bleibt gesund.“ Es ist eine eindringliche Bitte von Frank Eckardt aus Leinefelde an die jungen Leute, mit denen er am Donnerstagnachmittag ins Gespräch kam.

Am 8. Mai 2006 hatte er als trockener Alkoholiker mit seiner Ehefrau Sylva Rott die Kreuzbundgruppe für das Eichsfeld gegründet. Die Gruppe gehört zum Verein Kreuzbund im Diözesanverband Erfurt, in dessen Vorstand er als einer der beiden Geschäftsführer ehrenamtlich tätig ist. Der deutschlandweite Kreuzbund ist die Selbsthilfe- und Helfergemeinschaft für Suchtkranke und Angehörige.

Von Dienstag bis Freitag verbrachten 46 Schüler – die Klassen 9a und 9b des Johann-Gottfried-Seume-Gymnasiums Vacha im Wartburgkreis – mit ihren Lehrerinnen Cyntia Conrad und Heike Günther Tage der Orientierung im Marcel-Callo-Haus.

Verschiedene Themen zur Auswahl bei Tagen der Orientierung
Mit dabei waren auch fünf Mitarbeiter des Caritasverbandes für die Region Fulda und Geisa. Zu ihnen gehören Daniela Tischendorf und Daniel Leimbach, die auf die Zusammenarbeit des Gymnasiums mit dem Referat Jugendseelsorge im Bistum Erfurt hinwiesen.

Auch in Vacha gibt es eine Kreuzbund-Selbsthilfegruppe. Seit November 2020 hatten die Jugendlichen und die Erwachsenen gehofft, die Fahrt zu den Orientierungstagen antreten zu dürfen. In Vacha standen für diese Woche die Themen „Beziehung“, „Abhängigkeit“, „Gewalt“, „Berufe“, „Meinungen“ oder „Lebenssinn“ zur Auswahl.

Selbstständig hatten die beiden Klassen „Abhängigkeit“ gewählt, wollten möglichst viel über Suchterkrankungen erfahren. Vor dem Informationsnachmittag hatten sie eine große Anzahl Fragen an Frank Eckardt gesammelt, denn er wollte keine Rede halten, sondern mit ihnen ins Gespräch kommen.

„Ich habe eine Suchterkrankung“, erklärte der 62-Jährige. Im Jahr 2005 hat er mit dem jahrelangen Trinken aufgehört, hat hierfür professionelle Hilfe in Anspruch genommen, nachdem er bei einem Arztbesuch zur Kenntnis nehmen musste: Wenn er jetzt nicht aufhört, hat er nicht mehr lange zu leben. Von ihm hörten die jungen Leute, dass die Alkoholkrankheit die Betroffenen psychisch und physisch kaputt macht. Er hat studiert, nie Drogen genommen, nie mit der Flasche vor einem Einkaufsmarkt gestanden, nie auf der Straße gelebt, war nie arbeitslos, hat niemals einen anderen Menschen geschlagen.

Und doch ließ ihn der Alkohol über Jahre hinweg nicht mehr los, wurde zum gnadenlosen Bestimmer über sein Leben. Irgendwann reichte ihm das Wochenend-Bier nicht mehr. Aus dem Glas Schnaps wurde die Flasche, nach Feierabend ausgetrunken zu Hause; er war kein Kneipengänger. Der Alkohol siegte über alle anderen Interessen.

„Das Leben ging an mir vorbei“, schätzt er heute ein. Sein Fahrrad für Freizeitunternehmungen blieb im Keller, an Wanderungen hatte er keine Freude mehr, Familienfeiern oder Treffen mit Kollegen und Freunden versuchte er möglichst zu vermeiden. Sein Dasein bestand aus Arbeit, abendlichem Schnaps und schlafen, um am nächsten Tag wieder irgendwie zu funktionieren.

„Suchterkrankungen haben unterschiedliche Gesichter, in vielen Bereichen. Auftreten können sie zum Beispiel als Alkoholsucht, Drogensucht, Spielsucht oder Kaufsucht“, wandte sich Frank Eckardt an die Gymnasiasten. Von ihm bekamen sie mit auf den Weg: „Rauszukommen aus einer Sucht ist schwerer als reinzukommen. Das gesamte soziale Umfeld geht kaputt. Alkohol ist ein Lösungsmittel. Er löst alles auf: Familienverhältnisse, Arbeitsverhältnisse, Freundschaften.“

Frank Eckardt
Kreuzbundgruppe Leinefelde